Detail

18.05.2012

Cansla, in einer Beschreibung vom Jahre 1989

von Manfred Stuffer

Sportkletterer von heute lesen diesen Bericht von gestern mit amüsiertem Schmunzeln...

Nach sehr lang anhaltendem Schlechtwetter endlich wieder Sonne!

Einige Stunden abwarten, dann werden der Traumpfeiler und die benachbarten Platten wieder trocken sein. Ein Telefonanruf bei Simon genügt, um ihn davon zu überzeugen, dass er die Arbeit sein lässt und mit mir hinauf fährt nach Cansla.

Nach einer 15minütigen Autofahrt sind wir droben am großen Parkplatz. Ein Blick hinauf zur Wand: Niemand klettert, denn es ist Dienstag, und Hochbetrieb herrscht am Traumpfeiler nur an den Wochenenden. Es ist 13 Uhr, die ideale Zeit, um in eine der phantastischen Plattenrouten des Traumpfeilers einzusteigen. Seit zwei Stunden scheint die Sonne bereits in die Wand, einige glitzernde Wasserstreifen sind die Überreste der vergangenen Regentage. Doch die meisten Routen sind trocken, und wir laufen geschwind über den Pfad hinauf zum Wandfuß; ganze fünf Minuten Fußmarsch genügen, um dieses Traumland aus Plattenkalk zu erreichen.

An einem kurzen Drahtseil erreichen wir den Einstieg der Route »Benny Hill«. Sitzgurt anziehen, ins Seil einbinden, in die Kletterpatschen schlüpfen, und schon geht es los. Die ersten Bohrhaken liegen schnell unter mir, und nach einer leicht abdrängenden Wandstelle bin ich am Stand: Zwei Bohrhaken, die mit einer Drahtschlinge verbunden sind, versprechen Sicherheit. Simon kommt zügig nach und steigt gleich weiter. Als ich über die großlöchrige Platte nach klettere, kann ich meine Nervosität kaum unterdrücken, denn auf mich wartet nun die Schlüsselstelle in der dritten Länge im Schwierigkeitsgrad 7a+. Tief durchatmen, in völliger Konzentration versinken und losklettern!

Die erste schwierige Passage, eine Folge von seichten Ein-und Zweifingerdellen habe ich bereits hinter mir. Dann folgt das Hauptproblem der Route: Ich fixiere ein Zweifingerloch, die rechte Hand greift ganz weit hinauf, noch weiter...geschafft! Jetzt nur nicht mehr vor dem Stand stürzen...
Nach dem Abseilen entlang der Route stehen wir am späten Nachmittag wieder unten am Parkplatz, zurück in der Realität, erwacht aus einem Traum aus Plattenkalk.

Manfred Stuffer, 1989.

Zu den Fotos



Kurze Geschichte:
Die Geschichte des Klettergebiets Cansla beginnt im Jahr 1983. Damals fingen S. Stuflesser und G.Demetz aus St. Ulrich damit an, die westliche Wand des Meisules dla Biesces zu erforschen. Ihre ersten Bohrhaken schlugen sie in eine kurze Kalkplatte, die sogenannte "Snoopy-Platte". Hier entstanden die ersten Sportkletterrouten der Sellagruppe: "Snoopy" (6b), "Unmögliche Phantasie" (6c) und jährlich neue Seillängen mit immer höheren Schwierigkeiten.


Ein Jahr später wurde auch der auffallende, 150 Meter hohe Plattenpfeiler unterhalb der markanten, gelben Wand erschlossen. S. Stuflesser und C. Großrubatscher richteten die Route "Traumpfeiler" von oben ein; mit diesem Klassiker, der dem Pfeiler seinen Namen gab, begann eine neue Ära des Kletterns im Grödnertal: die Zeit des extremen und gleichzeitig sicheren Sportkletterns. Man muss sich vorstellen, dass bis 1983 weit und breit kein einziger Bohrhaken im modernen Sinn geschlagen wurde. Für das Klettern im Raum Gröden, und in den gesamten Dolomiten, waren somit die frühen Achtziger Jahre eine Zeit des Aufschwungs und der Erweiterung von Grenzen. Dennoch wurde der Bohrhaken in den Dolomiten sehr stark und immer wieder in Frage gestellt. Und er wird es heute noch. Siehe dazu das Abkommen "Ethik der Sicherung in den Dolomiten (in italienischer Sprache). 

Nach der Erstbegehung von "Traumpfeiler", ein Achter, an dem sich heute noch Überhang- Spezialisten die Zähne ausbeissen, haben sich die Klettermöglichkeiten in Cansla vervielfacht, sei es am Traumpfeiler selbst als auch an den "Woodstock-Platten" weiter rechts. Die fleißigsten unter den Erschließern, Mitglieder der Grödner Alpinistengruppe "G.A.G.", waren Simon Demetz, Karl Vinatzer, Manfred Stuffer und Adam Holzknecht. Doch die Erschließer der "G.A.G." hatten nicht nur Sportkletterrouten bestens präpariert, sondern auch extreme Erstbegehungen in alpinem Gelände, vor allem in der Sellagruppe, durchgeführt.
Zur Zeit finden die Besucher von Cansla etwa 90 Seillängen, die meist senkrechte, zum Teil auch überhängende Kletterei bieten.
Die schwierigste Tour des Klettergartens ist "Furia 8a+". Das große Dach am linken Rand des Pfeilers wurde 1990 von Manfred Stuffer erstbegangen. Wiederholungen sind bis heute (2010) noch keine bekannt.

 

Anreise:
Von Wolkenstein fährt man Richtung Sellajoch bis zur Abzweigung der Paßstraße die zum Grödnerjoch führt. Man fährt gerade aus weiter (gegen Sellajoch), noch etwa 300 Meter bis zu einem großen Parkplatz; in wenigen Minuten erreicht man von hier alle Sektoren des Klettergebietes.

Übersicht:
Über dem Parkplatz sieht man deutlich die Westwand des Meisules dla Biesces. Die linke Hälfte besteht aus grauen, kompakten Kalkplatten, während im rechten Teil gelb-brüchiges Gestein dominiert. Rechts unterhalb davon befindet sich ein auffallender Plattenpfeiler, der Traumpfeiler. Rechts des Pfeilers fließt ein Wasserfall, der in den Sommermonaten meist ausgetrocknet ist. In fünf Gehminuten erreicht man den Fuß des Wasserfalls. Verfolgt man von hier Pfadspuren nach links (50 m), so gelangt man zu einem Drahtseil, das nach rechts zu den Einstiegen am Traumpfeiler leitet. Folgt man dem wenig ausgeprägten Pfad weiter nach links, so gelangt man nach etwa 150 Metern unter die Snoopy-Platte, die links von einer auffallenden Schuppe begrenzt ist. Gleich rechts des oben erwähnten Wasserfalls befindet sich eine Platte mit sechs Routen (6a). Von hier führt ein steiler Pfad nach rechts zur Woodstock-Platte.

Beste Jahreszeit:
Von Mai bis Oktober, je nach Schnee- und Wetterlage. Am besten sicherlich von Juli bis September.

Exposition:
Alle Sektoren sind nach Westen ausgerichtet mit Sonne ab 12 Uhr bis Sonnenuntergang; im Hochsommer sehr schön am Abend.

Allgemeines:
Fast alle Routen führen über graue, meist leicht geneigte Dolomitplatten. Alle Routen sind mit Bohrhaken oder Klebehaken bestens abgesichert, ebenso die Standplätze; stets reicht ein 50-Meter-Seil aus, auch zum Abseilen. 10 Expressschlingen sind in den allermeisten Fällen genug.

Die Routen

Traumpfeiler:
Die Routen wurden, mit Ausnahme von "Paß au Popo" von oben, durch Abseilen, eingerichtet. Fast alle Seillängen sind 25 Meter lang, der Abstieg erfolgt durch Abseilen entlang der Routen.
Achtung: Die Einstiege befinden sich bereits etliche Meter über dem Boden! Selbstsicherung angesagt!!

1) "Paß au Popo": Als einzige ist diese Route von unten erstbegangen worden (S. Demetz/S. Oberbacher 1988), Ausdauer ist gefragt und etwas Glück... 1. SL: 6b+ (Platte, 20 m), 2. SL: 6c+ (Überhang, 25 m).


2) "Sech o nia": Schöne Linie in gelber Wand, steiler als der "übliche" Traumpfeiler. (A. Holzknecht). 1. SL: 7c (überhängende Wand, 22 m), 2. SL: 7c (22 m)


3) "Tu dai": Anspruchsvolle Linie. 1. SL: 8a (22m)


4) "Kante": Einst die Fortsetzung der Route Nr. 1. Heute mit direktem Einstieg über das große Dach die schwierigste Linie im gesamten Gebiet (eingebohrt von A. Holzknecht 1988). Die ersten beiden Seillängen in einem Zug bekamen mit "Furia" einen eigenen Namen und wurden 1990 von M. Stuffer rotpunkt geklettert. "Furia 8a+" hat bis heute (vermutlich) keine Wiederholung... 1.+2. SL (= Furia): 6b und 8a+, 3. SL: 7c (Kante, 25 m), 4. SL: 6c (Platte, 20 m).


5) "L Giaron": Teils gelbbrüchiges Gestein, dennoch lohnend (M. Stuffer, K. Vinatzer, 1989). 1. SL: 7a (Platte und Überhang, 25 m).


6) "Loß di foll'n": Ausdauerkletterei in der ersten Seillänge, Maximalkraft in der zweiten und Fingerspitzengefühl in der dritten; Achtung: Ab der zweiten Länge ist ein Rückzug problematisch (Dach), entweder linkshaltend zur sechs Meter tiefer liegenden Standkette pendeln (Abseildraht von "Paß au Popo") oder weiter klettern und über "Amoklauf" abseilen (A. Holzknecht 1986). 1. SL: 7b+ (Überhang, 35 m), 2. SL: 7b (Dach, 15 m), 3. SL: 7b+(Platte, 20 m).


7) "Amoklauf": Die zweite Länge ist die Schlüsselstelle - Finger gut aufwärmen! (A. Holzknecht, 1986). 1. SL: 6a+ (grasige Platte, 25 m), 2. SL: 7b (Platte, 20 m), 3. SL: 6c (steile Platte, 12 m), 4. SL: 6c+ (Platte, 25 m), 5. SL: 7a (steile Platte, 25 m).


8) "Odeon": Schwierige Einzelstelle in der zweiten Länge; ansonsten schöne Route mit homogenen Schwierigkeiten (S. Demetz, 1988). 1. SL: 7a (überhängende Platte, 25 m), 2. SL: 7b (Platte, 25 m), 3. SL:7a (Platte, 25m).


9) "Traumschiff": Die vielleicht schönste Kletterei an der Wand, rote Bohrhaken markieren den Weg, der zur Erfüllung des Traumes führt (S. Demetz/K. Vinatzer, 1986). 1. SL: 6c (Platte und Überhang, 25 m), 2, SL: 7a (Platte, 25 m), 3. SL: 6c (Platte, 25 m), 4. SL: 6c+ (Platte, 25 m), 5. SL: 7a (steile Platte, 25 m), 6. SL: 6c (steile Platte, 25m).


9A. "Traumvariante": Sie verläuft parallel zur 3. SL von "Traumschiff"; der Name sagt alles (A. Holzknecht, 1987). 7a (Platte, 25 m).


10) "Benny Hill": Gerade Linienführung, wunderbare Kletterei (S. Demetz/M. Stuffer, 1988). 1. SL: 6c (Überhang, 25 m), 2. SL: 6b (großlöchrige Platte, 25 m), 3. SL: 7b (Platte, 25 m).


11) "Traumpfeiler": Der Klassiker, der dem Pfeiler den Namen gab. Ganz schön glatt...aber schön! (C. Großrubatscher, S. Stuflesser, 1984). 1. SL: 6a+ (grasig, Platte, 25 m), 2. SL: 7a (Platte, 25 m), 3. SL: 6b+ (Platte, 25 m), 4. SL: 7a (steile Platte, 25 m).


12) "L Julon": Beeindruckende Platte mit etwas längeren Hakenabständen! (Manfred Stuffer, 1991). 1. SL: 6a (grasig, 20 m), 2. SL: 7c (Platte, 25 m), 3. SL: 7a+ (Achtung: 35 m!), 4. SL: 7b (senkrecht, 25 m)


13) "Tamburdl": In der ersten Länge Piazschuppe, dann Platten (S. Oberbacher/ I. Prinoth, 1989). 1. SL: 6a+ (Schuppe, 25 m), 2. SL: 6c+ (Platte, 25 m), 3. SL: 6c (steile Platte, 25 m), 4. SL: 7b (Platte, 25m).


13A "Tamburin": Happige Platte, würzige Variante! (H. Schmalzl). 1. SL. 7b+ (28 m !!)


14) "Charly Brown": Technisch anspruchsvolle Plattenkletterei (S. Stuflesser, 1989). 1. SL: 6c (Platte, 28 m), 2. SL: 7b+ (Platte, 20 m).


15) "Spruel": Die ersten beiden Seillängen gehören zum Pflichtprogramm (S. Demetz, 1989). 1. SL: 7b (Einzelstelle, Platte, 20 m), 2. SL: 7a (Platte, 20 m), 3. SL: 7b (Platte, grasig, 22m).


16) "Sufladressa": Kurze, aber anhaltend schwierige Längen (M. Stuffer, 1989). 1. SL: 7b (Platte, 18 m), 2. SL: 6c (Platte, 18 m), 3. SL: 7b (Platten und Wulst, 22 m).


17) "Steila da mont": Die Schlüsselstelle der ersten Länge kann rechts umgangen werden. (M. Stuffer, 1989). 1. SL: 7b (Platte, 26 m, 12 Haken), 2. SL: 6c (Platte, 22 m)


18) "Halloween": Diese Seillänge befindet sich nach dem obersten Ende des Stahlseiles! Aufpassen... (Manfred Stuffer, 1991). 1. SL: 6c+ (Platte, 25 m).

Platte rechts des Wasserfalls:
Hier findet vor allem der fortgeschrittene "Anfänger" sein Betätigungsfeld, im Frühjahr allerdings fließt meist ein Wasserfall, deshalb sind die Griffe und Tritte ziemlich glatt geschliffen.
Die Routen:
1. Pisciadoi (6a, 18 m)
2. Vie cun me (6a, 18 m)
3. Cun te (6a, 18 m)
4. No zeder (6a, 15m)
5.Tobai(6b, 20m)
6. Solandra (6b+, 20 m)

Platte links des Wasserfalls:
Dieser Sektor liegt unmittelbar links des Wasserfalls und wurde von Gregor Demetz eingerichtet. Achtung: Bei Hochbetrieb am Traumpfeiler herrscht Steinschlaggefahr!
Die Routen:
1. ohne Namen (5b, 20 m)
2. La Bela (6a, 20 m)
3. La Ria (6a+, 20 m)
4. La Ncompra (6a, 20 m)
5. La Saurida (5+, 20m)

Woodstock-Platte:
Technisch schwierige, kurze Plattenklettereien bis zum Grad 7b.
Die Routen:
1. Nia Mal (7a, 10 m)
2. L Var (7a+, 10 m)
3. Schweizer Kas (6b+, 10 m)
4. Te ies nia mal (6c+, 10 m)
5. Tre Tre (6c, 8 m)
6. Woodstock (6c, 8 m)
7. Nianca bon (6b, 8 m)
8. HMN-Pudding (7b, 15 m)
9. HMN-Creme caramel (6b, 13 m)
10. Variante Proa me (6c, 12 m)
11. Proa me (6c, 12 m)
12. L Cianton (6b, 28 m, etwa 15 m oberhalb von "Proa me")
13. Schirlata (6b, 24 m)
14. L giat y la volp (6a, 20 m)
14A. L giat y la volp plus (6c, + 9 m, 13 Haken)

Rechts der Woodstock-Platten
Geneigte Platten, die technisch ausgefeilte Reibungskletterei verlangen, bestens eingerichtet.
Die Routen:
15. La biescia (6c+, 15 m)
16. Aluminium (6b, 15 m)
17. L Rani (6c, 20 m)
18. Positiv Negativ (6c, 25 m)
18A. Positiv Negativ plus (7a, + 10 m, 15 Haken!)
19. Kranebit (7a, 40 m, lohnend)
20. Plata curta (6b+,10 m)
21. Aniei cueceni (5b, 12 m)
22. Aniei brumes (6b+, 18 m)
22A. Aniei brumes plus (6b+, + 15 m, 13 Haken!)
23. Blo Beus (6c, 20 m)
23A. Blo Beus plus (6c, +15 m, 12 Haken!)
24. Amez su (6a+, 25 m)
25. Blo Bel (6c+, 25 m)
26. Sgravedoz (7a, 25 m, vielleicht die schönste Route des Sektors)
26A. Sgravedoz plus (6b+, +15 m, 13 Haken!)

Snoopy-Platte
Hervorragende Gesteinsqualität. Der Sektor ist in den letzten Jahren etwas in Vergessenheit geraten.
Die Routen:
1. Kleiner Traum (6a)
2. Game Over (6c)
3. One Way (6c+)
4. Unmögliche Phantasie (6c)
5. Die Windige (6b+)
6. Papa Cool (6c)
7. Vogelnest (6c+)
8. Snoopy (6b+)
9. Ossi
10. Gerry (6b)

Like us on Google+

Suche


Partner



Events